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Mein LebenElfriede SieferleJames Blackforest
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Die Geschichten: James Blackforest10. Eisige Kälte im JanuarEs gackert das Huhn! James Blackforest hat ein Huhn als Wecker. James
wirft schlaftrunken das Huhn gegen die Wand. Noch nicht einmal fünf
Minuten sind vergangen, gackert die Henne wieder weiter. James steht
auf und stoppt den Wecker. Er schaut zum Fenster raus. Alles ist weiß.
Es schneit. Der Hausmeister James Blackforest springt schnell unter
die Dusche, zieht sich an und geht zu seinem Auto. Er kratzt die Scheiben
frei, setzt sich rein ins Auto und fährt los. Edith Blinzeltreu, die Geschäftsführerin der Kuckucksuhren
Vertriebsgesellschaft Mittelbaden gibt James die Hand, der gerade in
einem weißen Bett liegt. Auch der Raum ist weiß gehalten.
Es ist ein Zweibettzimmmer im Offenburger Krankenhaus. Es ist 14.00
Uhr und es sind gerade acht Stunden seit dem Unfall vergangen. James
weiß nicht viel. Er möchte aufstehen: Ich muss Schnee
räumen Nun kommt Claudia zur Türe herein. Du machst mir Sachen,
und gibt ihm einen Kuss auf die Backe. Claudia erzählt ihm, wie
ein Käfersberger, der zur Arbeit fahren wollte, ihn fand. Der Krankenwagen
war gleich da. Sein Auto ist nur noch Schrott. Claudia konnte noch das
Werkzeug und die Maschinen retten, die so ein Hausmeister im Auto hat. Guntelhild Weber, aus dem dritten Obergeschoß der Wohnanlage
in der Hildastraße, kommt ins Krankenzimmer. Hallo James,
du machst Sachen und gibt ihm die Hand. Nach dem Abendbrot schläft James ein. Er hat leichte Schmerzen
am Rücken. Der Kopf fühlt sich auch merkwürdig an. Es
ist doch alles in Ordnung, so der Arzt, denkt James. Er hält
seinen Körper ruhig und steif. Jede Bewegung schmerzt. Es stimmt, in meinem Leben habe ich noch nie etwas Gescheites gemacht. In München trug ich in den ersten Jahren Zeitungen aus. Stimmt, ich habe gut verdient und habe die Umgebung von München kennen gelernt. Bei Karkauf habe ich Anzüge verkauft. Der Lohn war schlecht, aber ich war im trockenen. In der Alten Pinakothek war ich Aufsicht und bewachte jahrelang im Raum II im ersten Obergeschoß das Hauptwerk von Albrecht Dürer, Vier Apostel auf zwei Tafeln gemalt. Eine Tafel ist 215 mal 76 cm. Zwei Jahre vor seinem Tod hat Albrecht Dürer das Gemälde gemalt. Kürfürst Maximilian I. hat die beiden Tafeln im Jahre 1627 in Nürnberg erworben. Ich hätte Führungen machen sollen. Nur ich bin kein Kunsthistoriker und die hätten mich aus diesem Grund auch nicht genommen. Aber, ich wusste mehr als jeder Kunsthistoriker über dieses Bild. Wie oft habe ich den Leuten über dieses Bild erzählt. Ohne einen Pfennig Trinkgeld. Warum ging ich eigentlich nach München? Damals wollte ich halt Maler werden. Ich hatte wenig Geld in der Tasche. In der Reisinger Straße, in einer WG, wohnte ich ein paar Jahre. Gleich in der ersten Woche bekam ich einen Job als Zeitungsausträger. Um den Viktualienmarkt herum trug ich meine Zeitungen aus. Es gefiel mir, morgens um vier Uhr die Tageszeitung an die Wohnungstüre zu bringen und anschließend in einem Cafe einzukehren, das um 5.00 Uhr morgens öffnete, um dort eine frische Schmalznudel oder einen Krapfen zu essen. Auch das Treiben um den Viktualienmarkt gefiel mir. Das schönste war doch, nach einem Schneeregen im Dezember, durchnässt, in einen Fischladen zu gehen, frische Austern zu essen mit einem französischen Weißwein. Mann, war das ein Leben! Später traf ich den Maler Wolfgang End. Das war ein schräger Vogel. Im Westend in seiner Wohnung machte er vierteljährlich mit seinem Freund Glenn Rossiter Vernissagen. Das Bett stellte er auf den Speicher. Die Wohnung wurde so zur Galerie. Einmal besuchte ich ihn privat. Eine Galeristin war gerade da. Die hat er nackt auf einen Tisch gestellt und hat sie einfach gemalt. Er malte gerade am Hintergrund. Nachdem ich ihm sagte, dass ich nicht so malen könnte, drückte er mir einfach den Pinsel in die Hand und sagte: Mal´ weiter! Zitternd machte ich da und dort einen Strich. Es machte mir Spaß. Das Herz klopfte wie wild, aber ich hatte Freude daran. Es war überhaupt nicht schwer. Der End war sehr geduldig. Wenn der Strich falsch war, so sagte er nur Mal einfach drüber. Meine Angst verschwand. Der End kaufte einmal über 20 kg Fett. Er hatte einen alten Stuhl, den er entsorgen wollte. Darauf platzierte er das Fett. Aus ihm modellierte er Joseph Beuys mit Hut. Er nannte es Homage an Beuys. Im Norden in einem Schwabinger Kunsthaus stellte er ihn aus. Dann kam er in eine Galerie nach Ottobrunn. Der Galeristin wurde es im wahrsten Sinne des Wortes zu heiß. Wir hatten einen heißen Sommer. End holte seinen Beuys wieder. Im Treppenhaus zu seinem Atelier rutschte das Fett vom Stuhl. Der End durfte drei Stunden putzen. Manchmal stand ich sechsmal pro Woche im Raum II in der Alten Pinakothek
vor Dürers Werk Vier Apostel. Keiner kennt dieses Werk
so gut wie ich, aber ich musste immer den Mund halten. Da ich mit wenig Verdienst in einer Halle in der alten Pinakothek abgestellt
war, sehnte ich mich nach dem Wetter und nach der Natur zurückt.
Wenn ich an meinem freien Tag eine Kuh auf der Weide roch oder eine
Maiwiese mit den zahlreichen Blumen, vor allen Dingen die gelben Blüten
des Löwenzahns sah, fühlte ich mich, wie im Paradies. Ein
Freund von mir war Hausmeister. Besorg dir einen Gewerbeschein, sagte
er mir eines Tages. Ich habe so viel Arbeit. Du kannst mir helfen, wenn
Du willst. So wurde ich Hausmeister. Mensch, haben die es gut, die einfach das Abitur machen und dann auf
die Kunstakademie gehen. Nun hatte er das Gefühl, dass die vier Apostel ihn anschauen. Er wollte sie nochmals begrüßen, aber dann erkennt er, dass dies die zwei Tafeln aus der Alten Pinakothek sind und in diesem Augenblick sind sie auch weg. Er macht die Augen auf. Im Zimmer ist es noch dunkel. Sein Bettnachbar schnarcht. Beim Luft holen pfeift es und beim Ausatmen war Erdbeben. Es hört sich auf jedenfall so an. James schließt die Augen und schläft ein. Zum Frühstück wacht er auf. Es gibt frischen Tee, Wecke (Semmeln, für die Bayern), Butter, Konfitüre und Wurst. Danach betritt eine ganze Truppe Leute in weißen Mänteln den Raum. Es ist Visite. Anschließend bestellt James sich eine Tageszeitung. Im Lokalteil findet James einen interessanten Artikel: Ortenberg. Mit überhöhter Geschwindikeit lenkte ein
Käfersberger Fahrzeughalter um 5.51 Uhr sein Fahrzeug an einen
Baum. Das Fahrzeug hat einen Totalschaden. Der Fahrzeughalter hatte
Glück und liegt mit leichten Verletzungen im Offenburger Krankenhaus. Aber wo zum Teufel kommt der auf die Idee, dass ich zu schnell gefahren bin. So ein Sack! Aber, wer war denn das, der mich fand? Es ist echt blöd, dass ich nichts mehr weiß. James hört, wie die Türe auf geht. Es ist Claudia, sie gibt
ihm einen Kuss auf den Mund. Hallo, wie geht es dir? Ich habe
deinen Briefkasten geleert. Hier sind die Briefe. Und da sind auch ein
paar Sachen aus dem Schrank. Das meiste war eh nur Werbung, so
Claudia. James legt die Briefe auf den Nachtkasten. Claudia verstaut
die mitgebrachten Sachen, es ist eine Hose, Hemden und Unterwäsche,
im Wandschrank. Peter und Paul, die zwei Heiligen aus dem zweiten Obergeschoß,
sind für ihre Streiche bekannt. Peter trägt eine blaue Mütze
und Paul eine rote, damit man diese beiden unterscheiden kann. Nur die
Mutter kennt die beiden auch ohne Mütze. Am letzen Schultag vor
den Ferien wurde die Schultafel mit Schuhcreme eingefettet. Der Lehrer
versuchte den Text vom Weihnachtslied Stille Nacht, heilige Nacht
an die Tafel zu schreiben. Zunächst war der Kreideauftrag weiß,
wurde aber langsam gläsrig, der Text verschwand in der Tafel. Die
Kinder mussten dann so, ohne diese Hilfe, das Weihnachtslied singen.
Keiner hat sie gesehen und der Lehrer ist sich sicher, dass es die beiden
waren. Auf die Frage, warst Du das Paul, sagte Paul nur: Ich habe
mich nicht gesehen! Die Zwillinge Peter und Paul erinnerten James an das Bildnis der Vier Apostel von Albrecht Dürer. Ein bißchen sehen sie Paulus und Petrus doch ähnlich. Weiter geht's mit der nächsten James Blackforest-Geschichte: 12.01.2006 |
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© 2004-2008 by Wolfgang End
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