
24. Zartes Klopfen seitlich am Bauch!
Ein sonniges Ostern
liegt hinter uns. Es ist Sonntagmorgen. Claudia und James liegen noch
im Bett. Die Vorhänge sind zugezogen. Durch einen Spalt dringt
Licht in das Schlafzimmer. Es sind Sonnenstrahlen, die auf die
nackten Füße am Bettende auftreffen, die aus der Bettdecke
herausschauen.
"Wollen wir den
ganzen sonnigen Tag im Bett verbringen?", haucht Claudia James
ins Ohr.
"Nein, lieber
nicht", brummelt James an seinen Bartstoppeln vorbei und dreht
sich noch einmal um. Claudia zieht ihm die Bettdecke weg.
"Das ist aber
gemein von Dir", brummt James.
"Komm steh auf",
Claudia wird immer bestimmter, "Willst Du vielleicht das
Frühstück am Abend serviert bekommen?"
Claudia steht auf. Sie
zieht die Vorhänge beiseite. Die Sonne kommt nun mit der ganzen
Kraft in das Schlafzimmer. James zieht sich die Decke über den
Kopf.
"Aber Claudia hat
recht", denkt James und krabbelt wieder unter der Decke hervor.
Seine Füße berühren den Boden, mit den Händen
stemmt er sich vom Bett ab. Mit viel Energie richtet er sich auf und
mit dem für Homo Sapiens typischen Gang schleppt er sich ins
Badezimmer. Claudia steht bereits unter der Dusche. James benutzt die
Badewanne. Eine frische Prise aus der Brause tut seinem Kopf sehr
gut.
"Ach ja, ich war
gestern bei einer Weinprobe" erinnert er sich, "das Auto
steht noch in Zunsweier und man ging zu Fuß nach Hause!“
Aber auch sonst hat
James keine Lust. Man trifft sich unten in der Küche. Während
Claudia die Kaffeemaschine anschmeißt, bruzzelt James Speck und
Eier in einer Pfanne. Der Toaster spuckt das goldbraune Weißbrot
aus seinem Schlitz. Frische Butter und Rautenfisch-Brotaufstrich ääää
Marmelade stehen auf dem Küchentisch. Claudia verteilt das
Frühstücksgeschirr über den Tisch. Sie ist heute nicht
fröhlich. Die Eier und der Speck sind fertig, ebenso auch der
Kaffee. Man beginnt wortlos zu frühstücken.
"Hast Du gerade
etwas gesagt, Claudia", murmelt James.
"Nee!",
antwortet Claudia.
"Du bist sehr
gesprächig heute morgen, James" zschwitschert Claudia, "
„..ist Dir eine Laus über die Leber gelaufen?"
"Nee, ich fühle
mich irgendwie komisch, bin müde und habe Lust zu nichts",
brummt James mit langweiliger Miene.
"Du machst in der
letzte Zeit auch sehr wenig und wenn dann nur lustlos", bemerkt
Claudia stirnrunzelnd.
"Ja das fiel mir
auch auf. Irgendwie habe ich das Gefühl, James Du hast
alles erreicht‚ und alles ist nicht mehr neu, sondern
wiederholt sich nur noch. Selbst das Malen und das Dichten!"
"Du hast doch
alles zu nichts reduziert. Das hast davon“, murmelt nun Claudia
und schiebt ein Rautenfischbrot in den Mund.
"Schau Claudia.
Das was ich mir als Junge erträumt habe, ist zur Wirklichkeit
geworden. Ich male und schreibe. So nebenher habe ich eine
Hausmeisterei. Viele Freunde habe ich gefunden. Dich habe ich als
beste Freundin und mir gehört noch dieses Winzerhaus, mit einem
riesigen Weinkeller. Oben am Berg habe ich Reben. Eigentlich sollte
ich glücklich sein", rechnet nun James auf.
"Du hast alle
deine Ziele erreicht“, lieber James. Das ist Dein Problem.
Wieso setzt Du Dir keine neuen und viel viel größere
Ziele?“, spricht Claudia und zieht dabei mit den Händen
gestisch einen großen Kreis.
"Welche?",
James ist ratlos, "welche Ziele soll ich mir denn setzen und
auch noch große?“ James spürt noch mehr Langeweile.
"Aber Du siehst
auch nicht ganz glücklich in der letzen Zeit aus, Claudia“,
murmelt James und schlürft am Milchkaffee.
"Ja stimmt"
wirft Claudia ein, "seit zwei Monaten bleibt die Blutung aus und
ich denke, dass ich mal zum Frauenarzt sollte. Das gleiche Gefühl
hatte ich bei Angela auch."
"Mit anderen
Worten, wir beide bekommen ein Kind!" James ist zunächst
mal erstaunt, aber seine Augen beginnen zu funkeln.
"Jetzt mal
langsam", so Claudia, "der Arzt soll das klären, denn
schließlich bin ich in einem reifen Alter."
"Wow! Das wäre
schön, wenn wir noch ein Kind bekommen würden". James
ist irgendwie zum Leben erwacht," Platz wäre genügend
im Haus und ich würde für unser Kind eine Krippe bauen!"
James verschlingt
hastig die ganzen Speckeier. Schüttet einen großen Schluck
Milchkaffee hinterher und rülpst.
"J a a a mes, was
sind denn das für Manieren!" witzelt Claudia erstaunt.
"T’schuldigung,
das kam so gerade", bemerkt James, "..aber was hältst
Du davon, dass wir heiraten?"
"Sonst noch
was!!!" fährt Claudia auf, "...dass Du nachher im Bett
ungeniert einen Furz fahren lassen kannst. Das ist doch bei
Ehemännern so. Vor der Hochzeit geben die sich große Mühe
und nach der Hochzeit lassen sie sich fallen."
"Claudia, so
grantig habe ich Dich lange nicht mehr erlebt, aber Du bist süß,
wenn Du grantelst", grunzt James.
Claudia fängt an
zu lachen.
"Besuchen wir
meine Tochter. Ich würde mal wissen, wie es den beiden geht",
so Claudia.
Zusammen räumen
sie den Tisch ab und fahren in die Stadt.
Es ist Dienstagabend
und James liegt im Wohnzimmer im Sessel. "Es gab dieses Jahr
überhaupt keinen Winter", denkt er mit geschlossenen Augen
vor sich hin.
Claudia ist mit der
Abnehmtruppe im Fitnesscenter. Man schiebt dort Gewichte und fährt
kilometerweit mit dem Standfahrrad und schwitzt hinterher in der
Sauna.
James sitzt immer noch
zu Hause und kämpft mit ganzer Manneskraft gegen die Langeweile.
Zum Malen hat er keine Lust und die Langeweile wird immer
hartnäckiger. "Die Waschmaschine könnte ich auch
morgen auffüllen", denkt er so. Sein Körper liegt wie
ein Fragezeichen über dem Sofa. "Wenn ich nur nicht den
Fernseher hinaus geworfen hätte, aber es kommt ja eh nur Mist",
grübelt er so im Halbschlaf, "...ins Kinogehen habe ich
auch keine Lust. Einen Kaffee tät ich schon trinken, mag aber
nicht aufstehen." Nun träumt er vom Computer, wie er in der
Suchmaschine wahllos verschiedene Wörter eingibt. Die Freude ist
nur kurz. Ein Virus bringt den Rechner zum Abstürzen. Das
Wortspiel gibt er bald auf, denn er findet nichts was interessant
sein könnte. Nun hat er ein dickes Problem. Aufstehen würde
er schon gerne, aber dazu hat er immer noch keine Lust. So beschließt
James doch, seinen Arsch vom Sessel zu heben. Er bewegt Ihn in den
Flur. Dort schnappt er sich seinen Autoschlüssel. Mit dem
schiebt er sich durch die Küche, zum Hintereingang hinaus zum
Auto.
James fährt den
Bühlweg hoch, bei der Bühlwegkirche geht es wieder steil
nach unten, ’ins Dorf’, wie die Ortenberger so sagen.
Beim ‚Ochsen’ fährt er Richtung Kirche und biegt
dort in die Bruchstraße ein.
"Ja heute gehe ich
in die ‚Bleiche’, beim Mühlbach", denkt James.
Am Parkplatz stellt er
sein Auto ab. Der Abend ist sehr mild, man könnte sagen
sommerlich. James spaziert durch den Biergarten, durch den Windfang
in die Wirtsstube. Beim ersten Tisch geradeaus nimmt James Platz. Bei
der Bedienung bestellt er sich ein großes Pils. Er bleibt nicht
lange alleine. Werner von der Non-Cactus-Butic poltert mit der Faust
begrüßend auf die Tischplatte und nimmt Platz. Es dauert
nicht lange, da gesellt sich auch der Wassermeister zu den zweien.
Scheck ist der nächste der Platz nimmt, dicht gefolgt vom Bernd
und Dieter. "Wir haben jeden Dienstag unser Pilsclubtreffen an
diesem Tisch", erklärt Martin, der etwas ’spät’ kommt.
"Sitz ich jetzt am
falschen Tisch?", fragt James erstaunt und runzelt die Stirn.
"Nein, kannst
sitzen bleiben und wenn Du eine Runde bezahlst, nehmen wir Dich in
unserem Pilsclub auf", schmeißt nun der Peter rüber,
der so gerne Nudeln mag und im Dorf Nudelpeter genannt wird, der
jetzt am gleichen Tisch auch Platzt nimmt.
James bestellt eine
Runde Pils. Man gibt sich nun allgemein. Es gibt die neuesten
Schauergeschichten aus dem Dorf. Zwischen durch wird es laut, als es
um die neue Dorfumgehung geht. Die empor lodernden Flammen werden mit
Pilsrunden erstickt.
Es ist sehr spät
geworden. Die Runde genießt das letzte Pils. Gemeinsam
verlassen sie das Lokal. Zufrieden steigt James in sein Auto. Er
fährt zurück zum Bahnübergang. Er nimmt jetzt den
Kleeplättleweg und über den Hundweg kommt er direkt nach
Hause.
Claudia ist bereits da.
Auch sie hat mit ihren Damen der Abnehmtruppe einen getrunken.
Kaum betritt James die
Küche, umarmt ihn Claudia herzlich. "Ja James - wir
heiraten", zwitschert Claudia heiter und gibt ihm einen Kuss auf
den Mund.
"Dann auch, auf
die Gefahr hin, dass ich im Bett ungeniert einen Furz fahren lasse?“,
fragt James etwas vorsichtig, aber dabei verschmitzt heimlich
lachend.
"James, wir beide
bekommen ein Kind. Ich bin bereits im dritten Monat", berichtet
Claudia weiter, "... heute morgen hatte ich so ein Gefühl,
als ob jemand seitlich, zart von innen gegen meine Bauchdecke klopfen
würde. Aber Kinder klopfen doch erst ab den fünften Monat."
"Vielleicht haben
wir ein aufgewecktes Kind!“, erwidert James, „Kommst mit,
wir machen eine gute Flasche Sekt auf.“ Claudia zündet
eine Kerze an und macht das Licht aus, während James vom Keller
einen Sekt holt. Es knallt und die gold-gelbe Flüssigkeit
schäumt in zwei Gläser hinein. Claudia und James stoßen
an. So glücklich waren sie schon lang nicht mehr.
Fortsetzung folgt!
05.05.2007